1:200!! Hebel, Hebel, Hebel…

Im neuesten Newsletter eines renommiertesten deutschen Trader-Magazines kam folgende Werbebotschaft an:

Möchten Sie mit 20.000 EUR handeln und nur 100 EUR einsetzen?

Ja gerne!! Das ist das, was ich schon immer wollte! Hebel von 1:200!! Das heisst ich kann mit einem 50.000er-Konto eine Summe von 10.000.000 (10 Millionen!!!) Euro bewegen. Damit bin ich in der Oberliga! Und pro Woche 1% Gewinn ist doch auch realistisch, oder? 1% von 10Mio sind 100.000.- Euro. Wow, das wäre ein Wocheneinkommen; wäre ich wohl schon im Monat zufrieden. Also gut; dann 1% pro Monat; aber müssen es 100.000.- Euro sein? Ich wäre ja wohl auch mit 10.000.- Euro zufrieden. Brauch ich nur 5.000.-!! Also noch einmal von vorne:

  • Ich möchte 1% pro Monat auf mein Konto erwirtschaften! Das wäre ja wohl zu schaffen.
  • Ich nehme nur 5.000.- Euro, da mir der Broker den 200-fachen Hebel zur Verfügung stellt
  • dh. ich kann mit meinen 5.000.- eine Summe von 1 Million (!) Euro bewegen
  • Der durchschnittliche Monatsgewinn bei 1% beträgt dann 10.000.- Euro!

So, bis jetzt war Spaß! Jetzt wird es ernst! Bei solchen Werbebotschaften müssen eigentlich alle Alarmglocken klingeln! Mit diesem Hebel ist die Totalverlustwahrscheinlichkeit gleich 100%. Vielleicht überlebe ich die ersten fünf Trades, aber dann folgt mit höchster Wahrscheinlichkeit der Super-Gau! Ein Beispiel aus dem „echten Traderleben“. Im Sommer 2011 war ich im wunderschön zu sehenden Abwärtstrend des EUR/CHF short. Tiefere Hochs und tiefere Tiefs prägten das Bild:

Dann kam im August 2011 (Ich saß gerade auf der Terasse im Urlaub in Italien) die Intervention der SNB. In dieser einen Woche bewegte sich der EUR/CHF-Kurs um mehr als 10%.  Und das nicht nur in eine Richtung. Es ging mehr als 10% hinunter und wieder hinauf. Wenn ich jetzt mit vollem Hebel bei einem 5.000.- Euro-Konto gehandelt hätte, wäre das eine Preisspanne von größer 100.000.- Euro!! Füße in die Hand und laufen; aber schnell! Margin-Call! Margin-Call! Alles aussteigen!

Ich hoffe, dass ich jedem angehende Trader das (sichere) Pleiterisiko vor Augen führen konnte. Einen Hebel von 1:15 handeln ist schon wahnsinnig viel, aber 1:200 ist wie Hubschrauber fliegen im Wohnzimmer.  Beispiel DAX-Future:

  • 16.000.- Euro Margin
  • Dax-Stand von 9600 und ein Punktwert von 25 Euro bedingt einen Umfang von rund 240.000.- Euro pro Kontrakt. = Hebel von 1:15
  • Der DAX schwankt ungefähr um die 2% täglich; das sind rund 5.000.- Euro pro Kontrakt.
  • Also müsste für einen Totalverlust eine durchschnittliche Schwankung um das Dreifache auftreten! Soll schon öfters vorgekommen sein!! Bitte selbst nachprüfen.

Ich hoffe niemand kommt jetzt ernsthaft auf die Idee mit einem 16.000.-Euro-Konto den DAX-Future zu handeln. Finanzieller Selbstmord wäre die Folge.

Ich finde so eine Werbung nicht nur absolut unseriös, sondern sogar gefährlich. Mit einem 5.000.- Euro-Konto eine Million zu bewegen ist Wahnsinn pur. Die kleinste Schwankung entgegen meiner gehandelten Marktmeinung kickt mich wahrscheinlich für immer oder für viele Jahre aus dem Rennen um beständige Börsengewinne.

Bitte Hirn einschalten und den Marktschreiern nicht folgen! Vielen Dank! Zuerst beständig ohne Hebel handeln und erst dann über Hebel 1:2 nachdenken. Eine weitere Erhöhung des Hebels könnte ihre sichere Draw-Down-Phase in ihr finanzelles Grab verwandeln. Eine Draw-Downphase von 12% auf das Handelskonto ist eigentlich normal. Mit einem Hebel von 10 landet mein Konto in den ewigen Jagdgründen der MöchtegernTrader.   🙁

Was sollten wir daraus lernen: Der Draw-Down erhöht sich mit dem Hebel in dem selben Ausmaß!! Aber Achtung: Mehr als minus 100% kann mehr als ihr Konto gefährden!